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F.IUS – Feministisch.Ius

Inklusive Lehre

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Der Richter und die Sekretärin: Geschlechterstereotypen in den Prüfungen der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich (2023)

F.Ius hat zusammen mit einer Gruppe von rund 20 Studierenden und Doktorierenden eine Studie durchgeführt. In dieser Studie haben wir Sachverhalte von Bachelorprüfungen aus zehn Semestern auf die Geschlechterverteilung und auf geschlechterspezifische Stereotypisierungen untersucht und sind dabei zu besorgniserregenden Ergebnissen gelangt. Die Resultate der Studie haben wir in einem zusammengefasst, der zum Schluss kommt, dass die Prüfungssachverhalte stereotype Geschlechterrollen reproduzieren.

Die Analyse der Geschlechterverteilung in den Prüfungssachverhalten ergab, dass diese eine grössere Anzahl Männer enthalten, sodass Frauen und nichtbinäre Personen gar nicht oder unterrepräsentiert sind. Fast doppelt so viele Männer (61%) wie Frauen (33%) finden sich in den Sachverhalten, während nur sehr wenige Personen ohne Zuordnung abgebildet sind (6%). Diese unausgewogene Geschlechterverteilung spiegelt sich auch im Anteil an handelnden und entscheidenden Personen sowie im Anteil an Protagonist:innen wider, wo mehr Männer vorzufinden sind. Die Prüfungssachverhalte reproduzieren ausserdem ein binäres Geschlechterverständnis; nichtbinäre Personen fehlen in den Sachverhalten. 

Queere Personen und queere Beziehungen treten in den Prüfungssachverhalten nur sehr selten in Erscheinung. Von den Personen, denen eine sexuelle Orientierung zugeordnet werden kann, sind 95% heterosexuell und nur 5% als queer lesbar. Von den abgebildeten romantischen Paarbeziehungen sind die meisten Frau-Mann Paare (96%) und nur zwei Paare bestehen aus queeren Personen (4%).

Frauen werden öfter über ihre Beziehung zu einer anderen Person definiert als Männer. 43% der Personen, die über eine nicht-romantische Beziehung definiert werden, sind Frauen. Von den Personen, die über eine romantische Beziehung definiert werden, sind sogar 63% Frauen.

Die ungleiche Geschlechterverteilung, die sich in der Gesamtzahl der auftretenden Personen zeigt, kommt auch hinsichtlich der Berufsattribute zum Ausdruck: Nur ein Drittel der Berufstätigen sind Frauen (32%), während fast zwei Drittel Männer sind (68%). In mehreren Wirtschaftsbereichen werden geschlechterbezogene Stereotype reproduziert: In den Bereichen Landwirtschaft, Verarbeitung/Energie, Baugewerbe, Verkehr und Lagerei, Kredit- und Versicherungsgewerbe kommen mehr Männer vor, während im Bereich Erziehung und Unterricht und im Gesundheits- und Sozialwesen mehr Frauen zu finden sind. Insbesondere in nicht näher definierten Macht- und Führungspositionen sind Männer (77%) gegenüber Frauen (21%) sehr stark vertreten, was stereotype Rollenbilder verstärkt. 

Die Prüfungssachverhalte, Aufgabenstellungen und Bearbeitungshinweise werden selten in geschlechtergerechter Sprache formuliert. Von den analysierten Prüfungen machen nur 29% konsequent von einer Art von geschlechtergerechter Sprache Gebrauch und 25% verwenden teilweise geschlechtergerechte Sprache, während in 46% der Prüfungen ausschliesslich das generische Maskulinum zur Anwendung gelangt.

Diese Ergebnisse zeigen nicht nur, dass sich die Prüfungssachverhalte an stereotypen Geschlechterrollen orientieren, sondern auch, dass sie eine vermeintliche Homogenität reproduzieren, die nicht einmal annähernd der Realität entspricht. Stereotypisierungen können sich nachweislich negativ auf die Motivation von Studierenden auswirken und damit die Qualität der juristischen Ausbildung an der rechtswissenschaftlichen Fakultät beeinträchtigen. Vor diesem Hintergrund macht der Bericht zahlreiche Vorschläge, wie die Situation verbessert werden könnte.

Zur ganzen Studie:Der Richter und die Sekretärin (PDF, 577 KB)
Checkliste und Beispiele für die Gestaltung von Sachverhalten: Merkblatt (PDF, 125 KB)

Veranstaltung vom Dienstag, 13. Juni 2023

Der Bericht und mögliche Lösungen wurden wir im Rahmen der Frauenstreikwoche am Dienstag, 13. Juni 2023 mit Studierenden, Doktorierenden und Fakultätsmitgliedern diskutiert. Wissenschaftliche Expertin an dieser Veranstaltung war Dr. Benita Combet.

Präsentation der Veranstaltung (PDF, 2 MB)